Die aufgeschlagene Bibel:
Dezember 2006 

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  In Gleichnissen reden

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In Gleichnissen reden

Die Jünger kamen zu Jesus und fragten: "Warum sprichst du in Gleichnissen, wenn du mit den Leuten redest?" Er antwortete: "Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, jenen aber ist es nicht gegeben …" (Matthäus 13, 10-11 ff.).
 
Jésus et les disciples Ein auf den ersten Blick erstaunlicher Text, er scheint auszusagen, die Jünger seien grundsätzlich Erleuchtete, während das Licht den andern vorenthalten worden sei. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir die genauen Worte Jesu nicht kennen, sie sind nicht auf Tonband aufgenommen worden. 
 
So, wie wir sie im Evangelium hören, entspringen sie der Erinnerung der ersten christlichen Gemeinschaften. Diese stießen mit ihrer Überzeugung auf das Unverständnis und den heftigen Widerstand der Schriftgelehrten und Pharisäer, so dass sie die Tendenz hatten, den Graben zwischen ihnen und ihren Gegnern noch zu vertiefen.
 
Diese Textpassage drückt aus, dass eine Lehre nur für den eine Erleuchtung ist, der bereit ist, sie zu hören. Es geht nicht einfach nur darum, dass man hört, was gesagt wird, sondern dass man sich in gewisser Weise der Botschaft hingibt. Ein biblischer Text drängt sich nicht automatisch auf.
 
Jeder ist frei in seiner Entscheidung, ob er ihn aufnehmen will oder nicht. Die Aufnahme setzt voraus, dass Augen und Ohren durch ein rückhaltloses Vertrauen geöffnet werden, ohne das uns kein Wort erreichen kann. Das Wort verlangt unser persönliches Engagement, denn es kann auf vielfältige Art verstanden werden und kein Verständnis kann je den ganzen Reichtum des Gesagten ausschöpfen. 

voyez et venez

 
Jesus schlägt vor, lädt ein. "Kommt und seht!" - Indem er Gleichnisse verwendet, ermöglicht er verschiedenartige Ansätze; er befreit sozusagen Texte und Interpretationen, die "von eindeutiger Klarheit" sind.
 
expérience de vie de Jésus Das Lesen in der Bibel, das im Glaubensleben vieler nun so wichtig geworden ist, tritt an die Stelle der Lehrsätze und Gewissheiten von damals, nuanciert und bereichert sie. Diese Vertrautheit mit den Evangelien und anderen biblischen Schriften, die durch die individuelle Lektüre und den Austausch in der Gruppe vertieft wird, bringt uns keine fertigen Wahrheiten. 
 
Man wird auf einer existentiellen Basis angesprochen, in der Konfrontation mit der Lebenserfahrung des Jesus von Nazareth. Das Evangelium provoziert uns innerlich mit seinen verschiedenartigen Auslegungsmöglichkeiten. Das gehörte Wort ist dadurch nicht etwas Starres, Vorgegebenes, sondern etwas, das den Horizont des Hörenden erweitert. Obwohl die Vernunft und die Überlegungen in Bezug auf die Lehre keineswegs ausgeschaltet sind, sind es doch Wege des Lebens, die sich uns öffnen. Darauf lässt sich nur mit dem Einsatz seiner Existenz und seines Handelns antworten.


"Ein Katechismus, der Freiheit atmet" von Jacques Gaillot
Ein Buch, dass dem kritischen Denken in der katholischen Kirche Raum gibt ...und für die Freiheit plädiert.